Young Women in Public Affairs Award (YWPA): Gewinnerin Tiaji Sio

„Besondere Begabungen und persönliches Engagement werden belohnt.“ (Dr. Utech):

Seit 1990 vergibt Zonta International den „Young Women in Public Affairs Award“. Der Preis wird weltweit auf Clubebene ausgeschrieben; die Gewinnerinnen können anschließend an den weiterführenden Wettbewerben teilnehmen. Der Distrikt wählt unter den gemeldeten Club-Siegerinnen drei Gewinnerinnen, die zusätzlich 1.000,– US Dollar + 1000 € (1. Preis), 500 Euro (2. Preis), 300 Euro (3. Preis) erhalten. Zonta International kürt anschließend aus den Distrikt-Siegerinnen zehn internationale Preisträgerinnen, die sich über jeweils 4.000 US Dollar freuen dürfen. Mit diesem Award sollen junge Frauen zwischen 16 bis 19 Jahren ausgezeichnet werden, die sich in besonderem Maße im Rahmen ihrer Ausbildung oder beruflichen Tätigkeit im öffentlichen Leben, in der Politik oder in gemeinnützigen Organisationen einsetzen.

Der Preis ist zum einen Anerkennung einer ehrenamtlichen Tätigkeit und zum anderen ein Ansporn, früh Führungsaufgaben zu übernehmen und mit Engagement dazu beizutragen, den Status der Frau zu verbessern. Unser ZONTA Club Frankfurt II Rhein-Main vergibt auch in diesem Jahr wieder den „Young Women in Public Affairs Award“. Gewonnen hat ihn Tiaji Sio. Die Jury (Prof. Dr. Marlis Hellinger, Kerstin Walter und ich) hat sich einstimmig für sie entschieden und freut sich zusammen mit den anderen Clubmitgliedern, ihr am 26. Mai 2015 anlässlich eines Clubmeetings den mit 300 Euro dotierten Preis zu übergeben.

Tiaji Sio ist 18 Jahre alt, wurde in Nordhausen geboren, lebt nun in Frankfurt und besucht die 13. Klasse des dortigen Goethe-Gymnasiums. Gerade hat sie ihre Abi-Klausuren hinter sich gebracht. Um sie ein wenig näher kennen zu lernen, treffe ich mich mit ihr in einem Café.

? Wie haben Sie von unserem Preis erfahren? ! Durch meine Lehrerin Frau Dr. Utech. Sie sprach mich auf die Ausschreibung an und meinte, dass dies etwas für mich sei. Das war es, und ich habe mich beworben. ? Und das mit Erfolg, wie wir nun wissen. Sie sind ja auf unglaublich vielen Feldern aktiv und engagieren sich ehrenamtlich in zahlreichen Projekten. Selbst die Vorbereitungen auf das Abitur und die Klausuren können Sie nicht stoppen. Was treibt Sie an?! ! Ich möchte meinen Horizont erweitern, mich selbst immer wieder herausfordern und die Chancen, die sich mir dafür bieten, ergreifen. Ich mag meine Zeit nicht vertun. ? Mit dem Goethe-Gymnasium besuchen Sie eine Schule, die Ihnen solche Möglichkeiten aufzeigt. Welche zum Beispiel? ! Schon seit der Jahrgangsstufe 6 besuche ich zusätzlich den bilingualen Unterricht in den Fächern Geography, History, Social Studies, Science und Philosophy. Damit waren u.a. auch ein Austauschbesuch in Dehli und eine Projektphase in Edinburgh verbunden. Ziel des bilingualen Programms ist der Erwerb von sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen sowie von Zertifikaten im Rahmen des internationalen Abiturs, des International Baccalaureate (IB) oder des Advanced Placement (AP), das Kurse auf College-Niveau an amerikanischen und kanadischen Highschools ermöglicht. Ferner kann man auf diesem Weg Zertifikate im Zusammenhang des Europäischen Exzellenzlabels CertiLingua und der Cambridge-Sprachprüfungen auf den Stufen C1 und C2 erlangen. Diese Tests werden neben dem deutschen Abitur angeboten, und ich hoffe, auch diese zu bestehen. ? Das sind alles wertvolle Mosaiksteinchen für ein späteres Bewerbungsportfolio. Dass Sie dieses Programm höchst erfolgreich absolvieren und auch die übrigen Schulfächer mit hervorragenden Ergebnissen abschließen, zeigen die beiden Referenzen, die Sie mit Ihrer Bewerbung eingereicht haben. Neben diesem umfassenden Schulprogramm sind Sie zudem auch ehrenamtlich engagiert. Was tun Sie? ! Ich bin sehr an gesellschaftlichen und politischen Themen interessiert und arbeite seither in vielen Projektgruppen mit, die sich mit diesen Gebieten befassen. Meine Indienreise hat sicherlich den Anstoß gegeben und mich wachgerüttelt, mich insbesondere mit entwicklungs- und frauenpolitischen Themen auseinanderzusetzen. So habe ich zunächst an einem deutsch-britischen Jugendseminar in Berlin teilgenommen und an einem vom U.S.-Generalkonsulat anlässlich des 50. Jahrestages des Kennedy-Besuchs in Deutschland veranstalteten Presseseminar sowie einer Podiumsdiskussion mitgewirkt. ? Ein Highlight waren sicherlich auch die Model-United-Nations-Konferenzen (MUNs), die Ihr Interesse und Verständnis für fremde Kulturen weiter verstärkt haben. Was genau steckt hinter den MUNs? ! MUNs sind Planspiele, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Rolle von Delegierten bei den Vereinten Nationen schlüpfen. In simulierten Gremien wie dem Sicherheitsrat oder der Generalversammlung debattieren die Delegierten über weltpolitische Themen, handeln Kompromisse aus und verabschieden Resolutionen. Jede bzw. jeder vertritt einen Staat, in dessen Position sie oder er sich vor der Konferenz einarbeiten müssen. Dabei zählt nicht die persönliche Meinung, sondern es ist das erklärte Ziel, die offizielle Position des zu vertretenden Staates möglichst realistisch wiederzugeben. Ich habe schon mehrmals bei diesen Konferenzen mitgemacht. ? Das waren auch ganz wertvolle Erfahrungen für sie, denn man lernt dabei nicht nur die Arbeitsweisen der internationalen Gremien kennen, sondern trainiert auch die rhetorischen Fähigkeiten und kann sich in Verhandlungssituationen erproben – gerade auch auf Englisch.

! Ganz bestimmt. Ich bin zwar zweisprachig aufgewachsen, weil ich mit meiner Mutter deutsch spreche und mit meinem Vater, der aus Liberia kommt, englisch. Aber hier waren die sprachlichen Anforderungen doch höher. Genauso wertvoll war auch meine Teilnahme mit einer Gruppe von insgesamt sieben Schülerinnen und Schülern unseres Gymnasiums an einem mehrtägigen nationalen Auswahlprozess für das Europäische Jugendparlament. Auf diesen Veranstaltungen, die jeweils unter einem aktuellen europapolitischen Thema stehen, schließt man Freundschaften mit jungen Leuten aus ganz Europa, lernt die Eigenheiten europäischer Kulturen kennen und kann sein Englisch in politischen Debatten mit Gleichaltrigen erproben. Eine Jury wählt Einzelbewerberinnen oder Einzelbewerber sowie die drei besten Delegationen aus, die sich in weiteren Runden weiterqualifizieren können, bis letztlich zwei Schuldelegationen sowie Einzelpersonen übrig bleiben, welche Deutschland bei den kommenden Internationalen Sitzungen des European Youth Parliaments vertreten dürfen. Unsere Gruppe hat zweimal den 1. Platz belegt und hat das Ganze selbst finanziert, indem wir zahlreiche Sponsoren für unsere Arbeit gefunden haben. Und ich wurde zusätzlich als Ausschuss-Moderatorin gewählt und habe ein Komitee über die Dauer einer Veranstaltung geleitet. Dafür musste ich im Vorfeld Informationsmaterialien zum Ausschussthema erstellen, habe die Delegierten dann zusammengeführt und Diskussionen geleitet. Zur Vorbereitung hatte ich ein Training in Helsinki. ? Und wieder etwas dazugelernt: einen Einblick in das strukturierte Herangehen von Problemlösungen in der Teamarbeit erhalten, einen inhaltlichen Überblick über die verschiedenen Politikfelder und Institutionen der Europäischen Union gewonnen und gelernt, gruppendynamische Entwicklungen zu analysieren. Hatten Sie auch schon mit frauenpolitischen Themen zu tun? ! Ja, im Zusammenhang mit meiner Arbeit für das Europäische Jugend-Parlament. Ich habe schon auf Ihrer Homepage gesehen, dass sich Zonta auf diesem Gebiet engagiert. Im April haben wir uns hier mit dem Thema „ Die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM)“ befasst. Ich habe dafür ein entsprechendes Positionspapier erstellt und als „Chairperson“ fungiert. Das war für mich eine ziemlich hektische Zeit, denn diese Sitzung fiel mitten in meine Abiklausuren. Ich bin mit dem Koffer zu meiner Klausur in Mathematik gefahren und anschließend direkt weiter zur Sitzung. ? Unglaublich. Das war cool, wenn ich es mal in der Sprache der jungen Leute formulieren darf! Vielleicht können Sie uns bei der Preisverleihung ein wenig davon erzählen? Hat Ihre Schule Sie auf alle diese Möglichkeiten hingewiesen? ! Ja, in den meisten Fällen. Ich suche aber auch selbst im Internet nach weiteren Tätigkeitsfeldern. So bin ich z. B. über das Internet auch auf ONE aufmerksam geworden. ONE ist eine internationale Lobby- und Kampagnenorganisation, die sich mit Unterstützung von mehr als sechs Millionen Menschen weltweit aktiv für das Ende extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten in Afrika einsetzt. Dabei werden Mädchen und Frauen in den Mittelpunkt gestellt – wieder eine große Nähe zu ZONTA! ONE wurde mitbegründet durch den irischen Musiker Bono und steht keiner politischen Richtung nahe. Wir sensibilisieren die Öffentlichkeit für entwicklungspolitische Themen und arbeiten eng mit politischen Entscheidern zusammen. Dabei werden wir von vielen Prominenten unterstützt, von Gesine Schwan und Maria Furtwängler beispielsweise. ONE wirbt kein Geld von der Öffentlichkeit ein und erhält keine staatlichen Mittel, sondern wird von mehreren Stiftungen, einzelnen Wohltätern und Unternehmen finanziert. ? ONE wirkt also auf einen Wandel durch Information, Sensibilisierung und Kampagnenarbeit hin mit dem Ziel, dass Länder eine wirksame Entwicklungspolitik und die entsprechenden Programme fördern?

! Genau! Auf unserer letzten Sitzung Ende 2014 in Berlin ging es um die diesjährige Kampagne „Mut 2015“. Wir sind in unseren „ONE-T-Shirts“ und Transparenten durch Berlin gezogen und haben das diesjährige Ziel vorgestellt. Die Teilnehmer des G7-Gipfels im Juni auf Schloss Elmau sollen unter Leitung von Angela Merkel eine klare Position im Kampf gegen extreme Armut in der Welt beziehen und die Stärkung von Frauen und Mädchen in den Mittelpunkt stellen. Nur wenn die bereits gegebenen Entwicklungsversprechen umgesetzt werden und die Unterstützung bei den Ärmsten ankommt, kann extreme Armut bis 2030 beendet werden. Als Jugendbotschafterin bin ich dabei, wenn wir eine entsprechende Petition überreichen. ? Wenn ich sehe, mit welcher Überzeugung, ja mit welchem Enthusiasmus Sie über Ihre Engagements erzählen, liegt es nahe zu denken, dass Ihre beruflichen Ambitionen in diese Richtung gehen. Stimmt’s? ! So ist es. Mein Traum ist es, im Auswärtigen Amt einen der begehrten Plätze für ein dreijähriges duales Fachhochschul-Studium zu erhalten, das mit viel Praxisbezug auf die Anforderungen des gehobenen Auswärtigen Dienstes vorbereitet und beste Übernahmechancen und Aussicht auf ein Berufsleben in die Auslandsvertretungen in aller Welt hat. ? Wann erfahren Sie, ob Ihr Wunsch in Erfüllung gehen wird? ! Ich habe mich schon im letzten Jahr im Online-Verfahren beworben und wurde vom Auswahlausschuss aus einem Kreis von über 1300 Bewerberinnen und Bewerbern zum Auswahlverfahren zugelassen. Der schriftliche Teil umfasste einen mehrstündigen psychologischen Eignungstest in den Bereichen intellektuelle Fähigkeiten, wie z.B. logisches Denken, Arbeitsverhalten und Kenntnisse in ausgewählten Bereichen sowie je einen schriftlichen Sprachtest in Englisch und Französisch. Der mündliche Abschnitt bestand aus einem Einzelvorstellungsgespräch, einer Gruppendiskussion und einer Gruppenaufgabe, einem Kurzvortrag und einem Einzelgespräch mit einer Psychologin. Beides habe ich bereits hinter mir und hoffe, dass ich spätestens im Mai eine Zusage erhalte. ? Und wie sieht Ihr Plan B aus, wenn es dazu kommen sollte? ! Dann würde ich ein Jurastudium beginnen und nach dem Examen auf jeden Fall versuchen, über diesen Weg in den Auswärtigen Dienst oder eine politische Organisation einzusteigen. ? Nach dem Abitur genießen Sie aber erst einmal die freie Zeit, oder? ! Wenn es mit dem Studium im Auswärtigen Amt klappt, geht es schon im August los, ansonsten steige im Wintersemester ins Jurastudium ein. Bis zur Entscheidung mache ich aber mit dem Schülerstudium weiter, das mir meine Schule bereits seit der 10. Klasse einmal in der Woche ermöglicht. Dort belege ich in jedem Semester eine andere Vorlesung und habe so schon in das amerikanische Recht, die Philosophie und andere Themen hineingeschnuppert. Ich muss sagen, dass ich meinen Lehrern viel zu verdanken habe. Sie haben mich immer gefördert und mir alles ermöglicht, was ich tun wollte. Dafür bin ich sehr dankbar. ? Unser Zonta-Club freut sich, dass wir Ihnen im Mai den Preis überreichen können, und drücken die Daumen, dass Sich Ihre beruflichen Ziele realisieren lassen. Danke für ein sympathisches und lebendiges Gespräch, in dem ich viel über Sie und Ihre Aktivitäten erfahren habe. Sie sind eine würdige Preisträgerin! Ruth M. NitzZC Frankfurt II Rhein-Main